Vipassana: Schluss

Verrückt, dieser Denkapparat. Ständig prasseln auf uns unterschiedliche sensorische Eindrücke ein, unwillkürlich oder willkürlich blitzt vor unserem inneren Auge ein Bild auf, wir hören einen Song, erinnern uns schmeckend an ein Gericht und so weiter, obwohl diese Eindrücke gerade nicht real ausgelöst wurden. Unsere Aufmerksamkeit scheint manchmal überall gleichzeitig zu sein, oder sein zu wollen. Der Verstand, die Quasselstrippe im Kopf, hat immer einen interessanten Gedanken parat, oder einen besorgten, planenden, verärgerten, zweifelnden.

Mit Meditation kannst du lernen, diese ablenkenden Gedanken zu identifizieren und sich von ihnen zu lösen. Je mehr du meditierst, desto „geschärfter“ wird dein Geist in diesen beiden Dingen: erkennen und loslassen.

Nun könntest du sagen, dass du − bspw in den dargestellten Beispielen − sicherlich auch ohne zu meditieren entsprechend bewusst oder intelligent handeln könntest. Und zu einem gewissen Grad würde ich dir Recht geben. Wenn du dich einfach so bemühst, besonders bewusst durchs Leben zu gehen und auf solche „Fallen“ aufzupassen, wirst du mit Sicherheit (dich) mehr bemerken und weniger träumen. Hier ist die Grenze zu „handelsüblicher“ Aufmerksamkeit und aktiver Selbstreflexion fließend.
Ich glaube aber − das ist meine Erfahrung − dass es ein Trugschluss ist, einfach so den Bewusstseinsschalter umlegen zu können, ohne Training. (Das intensivere Erleben mal ganz ausgeklammert.) Und ohne einmal eine intensivere Begegnung mit Meditation gehabt zu haben, passiert es wahrscheinlich leicht, sich zu überschätzen oder den Effekt der Meditationspraxis − diesem „stundenlangen langweiligen sinnlosen Rumsitzen“ − zu unterschätzen. Ich weiß selber noch, dass ohne Meditation die meiste Zeit im Unbewussten bleibt, weit von einer Durchgängigkeit des Bewusstseins entfernt, und sich der Geisteszustand mitunter STARK von dem unterscheidet, als ich intensiv meditiert habe. Auf der einen Seite sind die meisten es einfach nicht gewohnt, das Bewusstsein so intensiv zu aktivieren. Und auf der anderen Seite sind heutzutage zu zahlreich und zu verschleiert die „Versuchungen“, die Ablenkungen, die unsere Aufmerksamkeit schnell vereinnahmen … Fast Food, Zucker in Lebensmitteln, interessante bewegte Werbebanner überall, krasse Schlagzeilen, anstachelnde Informationen und mir nichts dir nichts befindest du dich wieder beim YouTube-Binge-Watching oder Instagram-Death-Scroll, in einem fetzigen Streit, sitzt gedanklich auf einem vergangenen Situation herum, sorgst dich um die ungewisse Zukunft oder regst dich einfach nur über die instabile Internetverbindug* auf. Du wirst Opfer der Impulse auf dich und reagierst nur. Meiner Meinung nach war es wahrscheinlich noch nie so nützlich und wichtig wie im heutigen Informationszeitalter, seine Aufmerksamkeit und Konzentration zu trainieren und zu hegen.

Zu versuchen, das Bewusstsein gezielt nur auf die fünf Hindernisse anzuwenden, ist schwierig. Denn jeder Moment ist anders. Du weißt nicht, was als Nächstes passiert! Hier kommen wir wieder darauf zurück, was ich am Anfang geschrieben habe. Nur der jetzige Moment ist real. Alles entsteht im Augenblick. Deshalb geht es bei dieser Lebenseinstellung darum, in jedem Moment bewusst zu sein, im Jetzt verankert, unabhängig davon, was passiert. Die Gegenwart macht keine Pause. Jeder Moment ist einzigartig und auf eine bestimmte (pantheistisch anmutende?) Art und Weise faszinierend.

Wie schon zu Beginn erwähnt, finde ich diese Konzentration auf den gegenwärtigen Moment unglaublich befreiend. Ich brauche mir keine Sorgen darum zu machen, alles auf ein Mal lösen zu müssen. Das effektivste, was ich machen kann, um einen Kaffee zu machen, wenn ich gerade den Flur zur Küche entlang gehe, ist: den Flur entlang zu gehen! Das effektivste, um in ferner Zukunft mein Ziel zu erreichen, ist: diesen Zwischenschritt hier auszurechnen. Jenen Pinselstrich zu machen.

Um durch Meditation eindeutige Effekte zu spüren, bedarf es einer gewissen „Trainingsdichte“ und -dauer. Ich denke, dass die meisten nach 10-20 akumulierten Stunden die ersten Dinge bemerken sollten. Bei einer Häufigkeit von etwa 20 Minuten pro Tag oder mehr.

Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass dies meine Interpretationen und Meinungen sind; ich möchte hier in keiner Weise „den Buddhismus“ oder eine offizielle Meinung vertreten. Abgesehen davon, dass ich mich in einigen Punkten auch irren kann, ist zudem jeder Mensch anders.

Also am besten (ohne Erwartungen ;)) selber ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln! Vielleicht stellst du bei einer 20-minütigen Meditation ja fest, dass tatsächlich ständig irgendwelche Gedanken reingeflogen kommen. Oder dass du Gedanken auch einfach loslassen kannst. Oder du probierst mal eine App aus.

* Kleiner Scherz. Darüber wirst du dich immer aufregen.

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