Ein Plädoyer für (mehr) Ehrlichkeit

Das ist doch mal was. Hat man einen Blog und kann einen Post zu einem seiner wichtigsten Werte schreiben. Ich habe gefühlt relativ früh − seit dem Beginn, dass ich angefangen habe, „selbst zu denken“ und die Dinge zu hinterfragen − von einem Typen (aka Mark Manson) ein Buch gelesen, in dem Ehrlichkeit eine Hauptrolle spielt. Dann habe ich drüber nachgedacht und seit dem ist Ehrlichkeit vlt mein Hauptwert. (Sicherlich haben andere Gründe auch eine Rolle gespielt.) So habe ich mich schon bemüht, in verschiedenen Situationen möglichst ehrlich zu sein − vielleicht manchmal auch „zu ehrlich“ bzw lieber etwas zu direkt gewesen oder mehr gesagt als evt nötig gewesen wäre … Das war nicht immer einfach. Und ich glaube, das ist der Punkt. Wenn Ehrlichkeit einfach wäre, würde man es ja einfach machen. Lügen werden einem ja normalerweise ziemlich aberzogen bzw verpönt und Ehrlichkeit klingt auf jeden Fall gut. Und später wollen es auch die ganzen Frauen von einem haben.

Zumindest gab es mehrere Situationen, bei denen ich mich gefragt habe: „Soll ich jetzt wirklich meinen Eltern sagen, dass ich …?!“ Vor allem mit den Eltern. Ist wahrscheinlich vor allem mit den Eltern schwierig. Die kennen einen das ganze Leben schon, man ist ihnen mega wichtig und soll meistens auch in eine mehr oder weniger „bestimmte Richtung“ gehen. Da fällt es oft schwer, Dinge zu tun oder zu denken, die nicht in diese bestimmte Richtung gehen; geschweige denn ihnen davon zu erzählen. Etwas anders bei jüngeren Bekanntschaften. Die kennen einen nicht so lange und es fällt leichter „jemand anderes“ zu sein, beziehungsweise mehr „man selbst“ − ehrlich. Zu sagen: „Ja, ich mache das übrigens so und so!“ Während der (kürzeren oder längeren) Kennenlernphase. Dann weiß die Person einfach, wer man ist − und kann ggf entsprechende Konsequenzen ziehen. „Das ist aber SCHEIẞE!! Mit dir will ich NICHTS mehr zu tun haben!“ beispielsweise. Das ist bei den Eltern ja auch etwas schwieriger. Und genau das war für mich das Argument, gerade bei meinen Eltern ehrlich zu sein. Wenn sie mich lieben und annehmen, wie ich bin − tja, dann müssen sie damit klarkommen. Vielleicht etwas „gemein“, oder zumindest gibt es immer wieder Personen, die ihre Eltern eigentlich gerade schützen wollen. In Brasilien ist das noch krasser. Die führen teilweise ein richtiges Doppelleben und gaukeln den Eltern etwas vor. Liegt wohl auch stark an noch traditionellerer/strengerer Erziehung.

Aber was ist das dann?! Ich „schütze“ meine Eltern wovor? Vor mir selbst? Und anderen Menschen, denen ich nicht ehrlich gegenüber bin. Dann muss ich immer genau drauf achten, wie ich mich verhalte? Was ich sage? Wie damals mein Therapeut so schön sagte: Befinden wir uns in einem Theaterstück? Sind wir denn Schauspieler?! Ich will doch echte Beziehungen haben! Die Person richtig kennenlernen. Noch ein Punkt, der für mich ausschlaggebend ist: Wenn ich an das Gute im Menschen glaube, und an das Gute in mir, und wenn ich mir genau überlegt habe, was ich warum wie mache − dann gibt es doch eigentlich nichts zu verstecken! Vielleicht muss ich (mich) ein bisschen erklären. Darlegen, warum ich das so mache. Oder was ich genau meine oder will. Aber nur allzu oft ist es so, dass wir doch das gleiche wollen und der andere sich in einem wiederfindet. Ich habe auch schon ein paar Mal (sub)kommuniziert bekommen, dass ich „verrückt“ sei. Das habe ich nie wirklich geglaubt. Für mich bin ich ganz normal. (Ganz sicher bin ich mir aber nicht. ;)) Sind wir nicht alle ein bisschen verrückt?

Muss der/die andere denn alles wissen? Paradoxerweise ist für mich Ehrlichkeit nicht unbedingt gleich (die ganze) Wahrheit. Manchmal befindet sich die andere Person mental auf so einer anderen Schiene, dass es bspw unnötig ist, das genaue Ausmaß einer Tätigkeit zu erläutern. Aber dass diese Tätigkeit etwas ist, sollte sie wissen. Zumindest bei gewissen „großen Sachen“. Mir fällt gerade ehrlich gesagt auf, dass dies einigen Spiel- und Definitionsraum lässt und es wahrscheinlich viele Leute so unterschreiben können und so handhaben. Vielleicht aber auch nicht und sie geben in delikaten Situationen der Versuchung von „weißen“ Lügen, Beschönigungen oder Auslassungen nach. Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen, dass dieses Verhalten letztendlich bevormundend ist. Du − und ich − wir wissen nicht, was für die andere Person eine „große Sache“ ist.

Daher gilt für mich im Zweifel immer: Ehrlichkeit ist die einzige Antwort.

Und dann auch ruhig die ganze Wahrheit. Ehrlichkeit ist was Gutes. Tut manchmal weh, aber bringt uns näher zusammen. Dieses Mehr an Information lässt uns besser darüber entscheiden, was wir machen wollen. Zusammen oder eben nicht.

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