Die sechs Sinnestore

Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen

Unsere fünf Sinne sind uns allen gut bekannt. Visuelle und akustische Eindrücke sind bei den meisten wahrscheinlich präsenter als olfaktorische, gustatorische oder haptische. Das ist reine Gewohnheit. Seit ich seit letztem Besuch im Meditationszentrum viel öfter meine Aufmerksamkeit auf das Riechen, Schmecken und Fühlen richte, fällt mir auf, dass diese Eindrücke genauso eindrücklich sein können wie die „üblichen“. Und relevanter. Wenn ich gerade esse, sollte ich dann nicht schmecken?

Denken

Im ersten Moment mag es ungewöhnlich sein, das Denken auch zu den Sinnestoren zu zählen. Es geht hier nicht um eine wissenschaftlich stichhaltige Definition der (Anzahl der) Sinneskanäle, sondern um die „Tore“, durch die das Bewusstsein Eindrücke bekommt. Beobachten wir es mal in Bezug auf das Denken. Versuche für nur eine Minute auf eine Stelle zu gucken und dabei nichts zu denken. Wahrscheinlich stellst du fest, dass du (neben den Eindrücken der externen Sinneskanäle) auch deine Gedanken nicht (alle) kontrollieren kannst. Früher oder später kommt irgendein Gedanke „auf den Schirm“, von selbst. Sie werden aus dem Nichts geboren, verschwinden dorthin auch wieder, und du kannst nicht voraussehen, was der nächste sein wird.

Der Verstand ist eine Quasselstrippe. Ständig gibt es etwas vermeintlich Interessantes, etwas zu analysieren, zu planen, zu erinnern. Täglich schießen (je nach Quelle) 6000 bis 70000 Gedanken durch unseren Kopf. Wie viele davon sind angenehm, positiv oder wirklich zielführend? Ständig sucht der Verstand nach Sicherheit, versucht die Dinge zu verstehen und zu erklären, wo es so oft nichts zu verstehen gibt. Dabei sind die allermeisten Dinge, die am Tag passieren, doch so simpel: Hinsetzen. Aufstehen. Bett machen. Den Flur entlang gehen. Kaffee machen. Aufs Klo, oder wohin auch immer gehen. Bewegen. Kämmen. Essen, trinken. Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen … Hier gibt es rein gar nichts zu verstehen, oder zu lösen. Kein Mysterium, kein Knobelspiel, keine Enigma. Wie oft greift der Verstand unbewusst nach Gedanken, denkt sich etwas aus, spinnt es weiter und weiter und weiter? Hierzu noch mehr bei den fünf Hindernissen. Wen die Gedanken nicht loslassen, der kann sehr gut verstehen, warum dabei auch von einer „Plage“ die Rede sein kann.

Natürlich gibt es auch Momente, in denen ein Verstand sehr nützlich ist. Beim expliziten Planen eines Ausflugs zum Beispiel. Oder beim Lernen, wenn ich mir etwas Neues aneignen und verstehen möchte. Wenn ich etwas Konkretes analysiere und das Ergebnis nachher nutzen möchte. Wenn ich ein Buch lese, die Argumentation des Autors nachvollziehen und ggf weiterspinnen möchte.
Aber wenn es darum geht, ob die Streifen im Holz genau parallel sind oder nicht? In welcher Reihenfolge ich mein Mittagessen am besten esse? Ob es wohl schadet, wenn es „ungleichmäßig“ heruntergeschluckt wird? Ob ich das Klopapier auch genau in der Hälfte falte? Wann mein Gesprächspartner wohl die Nachricht lesen wird? Ob er/sie den Smiley richtig interpretieren wird? Ob ich einen anderen hätte schicken sollen? Was die Person grundsätzlich über mich denkt? Dann schätze ich, dass dies häufig ein unwillkürliches Gedanken-Machen ist und diese gedanklichen Ressourcen bei Bewusstsein wahrscheinlich auf etwas Anderes gerichtet würden.

Von jemandem, der regelmäßig plante, in welcher Reihenfolge er die Schokoladenstücke essen sollte und zu oft der Intellektualisierung zum Opfer fiel: Es gibt Wichtigeres und Schöneres als die Essensreihenfolge von Schokoladenstücken zu planen. Seit ich versuche, das Denken aufs Wesentliche − und vor allem − zu reduzieren, geht es mir wesentlich besser. „Komplizierte Sachverhalte“ werden verblüffend simpel. Ich bemerke mehr, wie Gedanken (die oft ein Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit darstellen) angeflogen − oder manchmal auch heimlich angepirscht − kommen, und lasse sie dann los, um stattdessen zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken oder zu fühlen. Dieses Loslassen erfordert Übung!

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