Testergebnis negativ

 

Wenn ich gefragt werde, ob Brasilien sich sehr von Deutschland unterscheide, würde ich manchmal gerne verneinen. Das kann ich aber nicht … Wie die Corona-Pandemie die Länder unterschiedlich getroffen hat, ist ein weiteres Beispiel dafür. Es ist für mich fast surreal, jetzt hier einfach herumlaufen zu können, ohne Maske. Immer wenn ich aus Brasilien zurückkomme, fühlt sich das Leben hier so „einfach“ und geschmeidig an … keine Probleme, alles funktioniert, gut organisiert und kaum Reibungen.

Ich erlebe Deutschland ganz neu. Sommer ist ja richtig Sommer! Oder?! Mein letzter deutscher Sommer ist schon drei Jahre her. Es ist seltsam angenehm von kühleren brasilianischen Temperaturen in warme/heiße deutsche zu kommen, die Sonne und den langen Tag zu genießen, und zu sehen wie eindeutig alles blüht. Das ist Sommer. Ich versuche, mich in die Bewohner dieses Landes hineinzuversetzen, die diese Jahreszeit schon seit Beginn mitbekommen haben. Und ich versuche, möglichst viel davon in mich aufzusaugen, vielleicht wie die Pflanzen, die wissen, dass es noch andere Jahreszeiten gibt. Betonung auf andere Jahreszeiten, denn aufs Jahr gesehen sind Sonnenschein und so warme Temperaturen ja eher selten. Deshalb wird der Sommer auch so „gefeiert“. Sommerfeiern! Bald kommen langsam kühlere Temperaturen, die Wolken und der Regen …

Zwei Themen! Brasilianer sind cool. Oder vielleicht nicht cool, aber lässig. Alles ist etwas egaler … und nicht so wichtig. Kommste n bisschen zu spät? Ach, kein Problem. Nee, wirklich nicht … Ich war eh noch was am machen. Haste was mitgebracht? Ja cool, Bier. Wem das ganze ungespülte Geschirr hier gehört? Keine Ahnung. Ich hab eben was dazugestellt, das spül ich vielleicht später. Mal sehen.
Die Quarantäne hat sehr an meinen Grenzen gezerrt, was denn noch tolerierbar ist und mit wie wenig Regeln man denn so auskommt. (Und hier zum zweiten Thema:) Emotionen sind wichtiger. „Ja, wir ham da früher vielleicht irgendwann mal eine Regel ausgemacht, aber die gilt doch jetzt nicht mehr. Will ich einfach nicht mehr, fühle ich mich nicht gut mit. Ich will mich frei fühlen.“ Tja. Wenn die eigene Freiheit so wichtig ist, dass man Gemeingut einfach irgendwo stehenlassen und so tun kann, als gehöre es „niemandem“, finde ich das nicht mehr so cool. In Deutschland sind Regeln, Prinzipien und Konsistenz wichtig. Das habe ich immer wieder auch vermisst. Diese gewisse Grundannahme, dass eine „Regel“ etwas „Wichtiges“ ist, etwas das gewisserweise „gut“ ist, das ein Argument ist und das man nicht mit einer wegwerfenden Geste einfach abtun kann. So genieße ich es hier gerade, beim virtuellen An- und Verkauf gebrauchter Dinge darauf vertrauen zu können, dass die Gegenseite ihren Teil einhält. Ich habe während der letzten Monate in Brasilien ziemlich bemerkt, dass mir Regeln Sicherheit geben. Und Verträge!

Noch kurz etwas zum Studium. Dieses Semester hat es mir ganz gut gefallen, alles von zu Hause aus zu machen, das Lernen, Vorlesungen, Teammeetings … und vor zwei Tagen habe ich die letzte Präsentation eines Teamprojekts gehabt. Mit dem Team hatte ich einen ziemlichen Glücksgriff − wir haben super zusammengearbeitet und die Aufgaben der drei Projekte des AI-Kurses haben sich wie automatisch verteilt. Jetzt steht „nur“ noch ein Projekt an: ich muss für einen Professor einen Algorithmus programmieren, damit er mich während des Masters betreut. Das geht noch bis Ende des Semesters, das sich etwas verlängert hat, bis Ende August. Ich vermisse etwas die klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit/Ferien.

Bis dann, feiert den Sommer!

Lucas

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